Redebeitrag ‚fight2stay‘

Viel ist passiert, seit 2015 die sogenannte „Flüchtlingskrise“ begann. Wir erlebten, wie immer mehr Menschen im Mittelmeer ertranken und die Friedensnobelpreisträgerin ‚EU‘ einfach dabei zuschaute. Wir erlebten die zunehmende Repression, welcher sich die Geflüchteten – die es auf das europäische Festland geschafft hatten – ausgesetzt sahen. Die Internierung eben dieser Menschen in Lager vor allem auf den griechischen Inseln im Zuge des ‚EU-Türkei-Deals‘, militarisierte Grenzanlagen wie in Ungarn aber auch Gesetzesverschärfungen innerhalb der Länder der EU wie das Aussetzen des Familiennachzuges und die unmenschliche Abschiebepraxis in Kriegsgebiete wie Afghanistan sind nur einige Beispiele hierfür.

Und wir erleben ein Erstarken von regressiven, nationalistischen und rassistischen Einstellungsmustern in ganz Europa. Dieser reaktionäre Flashback manifestiert sich sowohl in rechten Parteien wie beispielsweise der AfD in Deutschland, dem Front National in Frankreich oder der Partei für die Freiheit in den Niederlanden, als auch durch Bewegungen wie der IB oder PEGIDA in Dresden. Soweit, so schlecht. Aber das ist nicht alles…

Wir erlebten auch die Zunahme an Solidarität und die Hilfsbereitschaft vieler Menschen. Millionen haben allein in Deutschland ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe gearbeitet bzw. arbeiten noch immer dort um zu versuchen, die Geflüchteten zu unterstützen. Auch erlebten wir, dass durch die Erfahrungen vieler Menschen eine Politisierung großer Teile der Gesellschaft einsetzte.

Viele, welche sich vorher als „unpolitisch“ sahen, kritisierten beispielsweise das europäische Grenzregime, den EU-Türkei-Deal oder die unmenschliche Abschiebepraxis in einer Radikalität, die Mensch vorher nicht für möglich gehalten hatte. Lasst uns diese Chance einer progressiven Politisierung wahrnehmen. Lasst uns gemeinsam Heute auf der Straße ein Zeichen gegen die herrschenden Zustände setzen und sagen: Solidarität muss politisch werden!

Denn die Geflüchteten sind nicht vom Himmel gefallen, sondern sind Teil eines jahrelang betriebenen Neokolonialismus vor allem der europäischen Union. Diese versucht zwar nicht mehr über unmittelbare Unterdrückung ganze Landstriche zu besetzen. Stattdessen wird durch Maßnahmen wie Freihandelsabkommen und der daraus resultierenden Zerstörung der regionalen Marktwirtschaft, Landgrabbing oder auch Waffenexporte eine Abhängigkeit geschaffen, die Leid und Tod für viele Menschen in diesen Regionen mit sich bringt.

Die momentanen Flüchtlingsbewegungen sind also zu großen Teilen die Folge einer neoliberalen und postkolonialistischen Politik der EU. Die sich hieraus ergebenden Krisen versucht die europäische Union (bei nicht unerheblicher deutscher Dominanz) mit noch mehr Neoliberalismus zu beantworten. Da dieser die Krise für die Menschen nicht etwa löst, sondern deutlich verstärkt, verstärken sich auch die Reaktionen vor allem derer, die unter eben diesen prekären Umständen leben müssen. Und allzu oft ist dann leider ein Abfallen in rassistische, nationalistische und andere menschenverachtende Verhaltensmuster die Folge der Angst vor dem erwarteten ökonomischen Abstieg. Und so sind auch die rassistischen Parteien und Bewegungen nicht einfach von jetzt auf gleich erschienen. Und vor allem sind sie, im Gegensatz zum häufig von bürgerlichen Politiker*innen vertretenen Standpunkt nicht der Auslöser von zunehmendem Rassismus, sondern vielmehr deren Folge.

Der Auslöser ist ein vom Kapitalismus anerzogener Futterneid, der die Gesellschaft zu einer Ellenbogengesellschaft gemacht hat. Was wiederum dazu führte, dass viele Menschen Geflüchtete zunächst als Konkurrent*innen um Ressourcen sehen. Um es ganz klar zu sagen: Das rechtfertigt in keiner Weise, dass jemand zum/zur Rassist*in wird. Dass man auch in den momentanen Verhältnissen die Möglichkeit hat, sich individuell anders zu entscheiden, kann man Heute hier an den vielen Menschen sehen, welche sich klar gegen solche Tendenzen und für ein solidarisches Miteinander einsetzen.

Wer also wirklich die oft beschworenen „Fluchtursachen“ und den rechten Flashback bekämpfen will, der muss das neokolonialistische Verhalten der EU kritisieren und bekämpfen. Der muss auch eine neoliberale Politik bekämpfen, die ausschließlich nach Gewinnmaximierung strebt und sich dafür auch nicht zu schade ist, Waffen an menschenverachtende Regime wie Saudi-Arabien oder den Katar zu liefern und so letztlich an jedem Krieg und an jeder Krise mitverdient.

Und es ist auch notwendig, dass wir uns über Grenzen hinweg solidarisch organisieren, um den Rechten in Europa und der Abschottungspolitik der EU den Boden zu entziehen. Kurz gesagt: Es ist notwendig, dass wir Lösungen jenseits von Kapital und Nation finden. Denn nur so können wir den rassistisch reaktionären Krisenlösungen der europäischen Politik etwas entgegensetzen und eine Gesellschaft organisieren, in welcher Menschen solidarisch miteinander leben können! Unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung oder anderer Nebensächlichkeiten.

No Border, No Nation, Stop Deportation!

 

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