Blogeinträge

Was gibt‘s denn da zu feiern? Anmerkungen zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge.

 

Heute jährt sich zum 60. mal die Unterzeichnung der Römischen Verträge. Dieses Dokument gilt als Gründungsdokument der heutigen Europäischen Union, da erstmals die neu gegründete Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft, sowie die bereits bestehende Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl zur Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossen wurden. Diese stellt damit den Vorläufer der heutigen EU dar. Aus diesem Grund werden sich am heutigen Tag die Regierungschefs vieler Länder, europäische Funktionär*innen usw. in Rom treffen um dieses Ereignis zu feiern. Doch was gibts da eigentlich zu feiern?

Schaut man sich die Geschichte der Europäischen Union an, dann wird klar, dass sie von Beginn an vor allem eins war: nämlich ein Wirtschaftsprojekt. Und zwar eines, das nicht etwa einen sozialen Anspruch, sondern von Anfang eine neoliberale Färbung hatte. Es ging um den Abbau von sogenannten „Handelshemmnissen“, mit welchen allzu oft ökologische und soziale Errungenschaften gemeint waren, eine Homogenisierung der europäischen Volkswirtschaften und um die wirtschaftliche Co-Dominanz neben den USA auf dem Weltwirtschaftsmarkt. Die sogenannte „Europäische Idee“, war von Anfang an die Idee eines entfesselten Marktes und nicht etwa die eines Friedens- und Solidaritätsprojekts in Europa. Es ist zwar richtig, dass innerhalb der Staaten der Europäischen Union oder ihrer Vorgängerorganisationen seit dem Ende des zweiten Weltkrieges kein Krieg mehr stattgefunden hat. Allerdings gilt das nur für die Mitgliedsstaaten untereinander. Es wurden und werden aber durchaus, entweder indirekt über Waffenexporte direkt durch militärische Interventionen (im Irak, Afghanistan, Mali, usw.) in anderen Länderen kriegerische Auseinandersetzungen durch Mitgliedsstaaten der EU unterstützt. Auch als Solidaritätsprojekt kann man ein Gebilde nur schwer bezeichnen, wenn es sich bei jeder größeren Krise in ihr nationales Schneckenhaus zurückzieht. Sowohl bei der Schuldenkrise und der Austeritätspolitik gegenüber den Ländern des Südens der Europäischen Union, als auch bei der sogenannten Flüchtlingskrise war zu sehen, dass nationale Egoismen deutlich schwerer wiegen als die europäische Solidarität. Doch trotz der Zerissenheit und den Streitigkeiten in vielen Punkten tritt Europa in politischen und wirtschaftlichen Fragen auf meist geschlossen auf.

Was bedeutet dieser große Einfluss eigentlich für die Menschen, die in- und außerhalb der europäischen Grenzen leben müssen?

Für die Menschen, die innerhalb der EU leben müssen, bietet diese zunächst einen relativen Wohlstand und einen hohen Lebensstandard – verglichen mit vielen anderen Regionen auf der Welt. Nichtsdestotrotz bleiben auch die privilegierten Europäer*innen nicht vollständig verschont von den Folgen der EU-Politik. Denn oft bedeuten Vorgaben aus Brüssel eine Zerstörung der regionalen Wirtschaft durch große (häufig deutsche) Unternehmen, Umweltzerstörung und soziale Verwerfungen. Für letztere gilt, dass vor allem die deutsche Dominanz der letzten Jahre die Situation für viele Menschen verschlechtert hat. So ist beispielsweise im angeblich „geretteten“ Griechenland jede*r fünfte erwerbslos, die Löhne und die Renten sinken ins Bodenlose und funktionierende Sozialsysteme sind praktisch nicht mehr existent. Dies geht soweit, dass in griechischen Krankenhäusern lebenswichtige Medikamente zum Teil nicht mehr oder nur für sehe hohe Preise und häufig einhergehend mit heftiger Verschuldung zu bekommen sind.  

Gegenüber den Menschen, die außerhalb der Europäischen Union leben, wird eine neokoloniale Politik betrieben, welche die wirtschaftliche Abhängigkeit vieler Länder, vor allem des globalen Südens, ausnutzt, um eigene Interessen zu verfolgen. Maßnahmen wie Freihandelsabkommen zerstören die Wirtschaft vor Ort. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind wohl der spottbillige Export von Hühnerresten, welche dem/der verwöhnten wohlstandsgenährten Europäer*in nicht zusagen, oder das Leerfischen der afrikanischen Küsten mit riesigen Schleppnetzen. Weiterhin werden die Rohstoffe ärmerer Länder ausgebeutet und diese oft als „Abfalleimer“ für europäischen Giftmüll und Elektroschrott missbraucht. 

Darüber  hinaus besticht die EU durch eine geradezu unmenschliche  Abschottungspolitik. Infolge des sog. „EU-Türkei-Deals“ ist die  Fluchtroute über die Türkei in die EU de facto geschlossen, das  vermeintliche „Problem“ und damit die humanitäre Katastrophe vor die  Außengrenzen verlagert.

Symbolpolitik  par excellence, denn letztlich hat die EU gar kein Flüchtlingsproblem. Seit  Anfang 2015 sind rund 2 Millionen Schutzsuchende in die EU eingereist. Das sind gerade mal 0,4% der Gesamtbevölkerung. Wie das für vergleichsweise derart reiche  Länder ein „Problem“ darstellen soll, eine nicht zu bewältigende  Herausforderung, erschließt sich uns nicht. „Wir können ja nicht die  ganze Welt aufnehmen“, heißt es lapidar. Das tun wir auch gar nicht, davon sind wir Lichtjahre entfernt. Aber wir müssen die Menschen  aufnehmen, die unmittelbar von Krieg, Verfolgung, Elend und Armut  bedroht sind – zumal diese Folgen zu einem erheblichen Teil durch unsere  Exportwirtschaft und unser Konsumverhalten verursacht werden. Wir  können nicht einfach die Außengrenzen dicht machen und sagen: „Euer  Problem!“

Überdies  fliehen Schutzsuchende nunmehr wieder vermehrt über das Mittelmeer, mit  verheerenden Konsequenzen. Seit die Flucht über die Türkei faktisch  aussichtslos ist, sind im Mittelmeer rund vier mal mehr Menschen ertrunken, als vor dem Schließen der deutlich ungefährlicheren Route über die Griechischen Inseln. Und die EU? Stiehlt sich aus der Verantwortung. Es wird  ja nicht mehr in Europa gestorben, sondern davor, können wir ja nix  für. – Können wir wohl!

Es  wird von der „Bekämpfung von Fluchtursachen“ gesprochen, tatsächlich  bekämpft werden allerdings lediglich Flüchtende. Idealerweise natürlich  außerhalb der EU, damit selbige sich nicht die Hände schmutzig macht und  sich weiterhin als humanistische Wertegemeinschaft inszenieren kann. Statt einer effektiven Seenotrettung gibts Frontex. Flüchtende lässt man  willentlich ersaufen. Und die EU feiert sich allen Ernstes für den  Friedensnobelpreis? Wir können gar nicht so viel essen, wie wir kotzen müssten.

Aus diesen und noch viel mehr Gründen feiern wir heute nicht mit! Denn wir wollen keine deutsch geprägte EU und wir wollen auch kein EU-geprägtes Deutschland. Wir wollen gar keine EU und gar kein Deutschland, sondern ein solidarisches, freies und gleichberechtigtes Leben aller Menschen.

Happy Fuck EU!


OPFERMYTHOS

Jedes Jahr die gleiche Scheiße! Dresden und der scheinbar ewige Opfermythos um den 13. Februar.

 Schauen wir uns Dresden während des zweiten Weltkrieges an. Die Propaganda des dritten Reiches griff in Dresden bemerkenswert gut und rasch. Bereits nach der Machtübernahme Hitlers 1933 begann die Enteignung von jüdischen Geschäften. Das Tragen des Judensternes war schon bald Pflicht. Sukzessiv wurden der jüdischen Gesellschaft Rechte, Freiheiten und Eigentümer entzogen. Dies mündete ab 1938 in die Deportation in polnische Ghettos und Konzentrationslager, wie Auschwitz und Buchenwald. Im Jahr 1933 lebten über 4000 Jüd*innen in Dresden. Nach Kriegsende bewegte sich die Zahl im zweistelligen Bereich. Andere Minderheiten, wie Homosexuelle und Menschen mit Beeinträchtigungen, waren ebenfalls von Hitlers Rassenideologie betroffen. Sie ereilte ein ähnliches Schicksal. Homosexuelle wurden ebenfalls in Konzentrationslager deportiert. Menschen mit Beeinträchtigungen wurden in sogenannten Euthanasieanstalten, wie Pirna Sonnenstein, umgebracht. Falls es „deutsche“ Angehörige gab, wurden diese mit fadenscheinigen Erklärungen, wie Tod durch Lungenentzündung, ruhig gestellt.

 Die Stadt gehörte zu den größten des Reiches (Platz 8). Hitler selbst erklärte die Stadt zur Kulturhaupt- und Residenzstadt. Durch die kunstgeprägte Vorgeschichte ist dies auch nicht verwunderlich. Unzählige barocke Bauten, oder welche in anderen Stilen der verschiedenen Kunstepochen, zierten Dresden. Abertausende künstlerische Werke von bekannten Maler*innen befanden sich in der Stadt. Einige Dichter und Denker sprachen von einem besonderen Flair, welches Dresden umgeben haben soll. Doch was ist all das wert, wenn die Gesellschaft unmenschliche Werte vertritt? Dann geht auch geschwind diese besondere Atmosphäre verloren.

 Neben dem kulturellen Aspekt war Dresden Gauhauptstadt. Dies konnte durch die ausgezeichnet anliegende Infrastruktur möglich gemacht werden. Dresden bildete mit seinen drei Bahnhöfen, Friedrichstadt, Neustadt und dem Hauptbahnhof, einen Knotenpunkt. Über diesen verband sich die Stadt beispielsweise mit Berlin, Prag und Breslau. Durch diese Verbindungen konnten massenhaft Menschen, welche nicht der Ideologie der Nazis entsprachen, deportiert werden.

 Auch militärisch gesehen war Dresden ein bedeutender Standort. Unzählige Baracken, Übungs- und Ausbildungsplätze für Soldaten beherbergte die Stadt.

 Unter den militärischen und politischen Funktionären lebten zahlreiche Zivilist*innen in der Stadt, welche in Fabriken arbeiten gingen. Fabriken, welche Teile für die Waffenindustrie herstellen. Fabriken, welche Nahrungsmittel für die Versorgung der Menschen an der Front produzierten. Fabriken, in welchen Jüd*innen und Menschen, die nicht in die Ideologie Hitlers passten, zur Zwangsarbeit, unter unmenschlichen Bedingungen, gezwungen worden sind. Zivilist*innen, welche Hitler gewählt hatten. Zivilist*innen, welche wegschauten, wenn anderen Menschen unrecht getan worden ist…

 Rein äußerlich blieb Dresden also bis 1944/1945 vom Krieg unversehrt. Wir befinden uns in den letzten Kriegsjahren des zweiten Weltkrieges. Dresden war damals einer der letzten intakten Industriestandorten. Andere Städte waren bereits kaputt, weitaus mehr, als es Dresden war. Somit bot die Stadt ein attraktives Angriffsziel für die Alliierten, um Deutschland endlich zur Kapitulation zu zwingen.

Ein paar Monate später war der Krieg nun vorbei. Hat die Stadt und ihre Bürger*innen daraus gelernt? Wohl eher nicht…

 Auch heute verschließt die Gesellschaft ein weiteres mal die Augen vor der Realität? Eine Realität, in der sie mit Neonazis in einer Reihe steht? Eben wenn sie gegen Minderheiten und deren Kultur hetzt? Schauen wir auf Ereignisse der letzten Wochen und Jahre zurück. PEGIDA und Co. stachelte massenhaft zu Diskriminierung des Islams, der Einwanderungspolitik und nicht zuletzt den Asylsuchenden an. Erst kürzlich entfachte das Monument vor der Frauenkirche eines syrischen Künstlers, welches auf die verheerenden Kriegszustände im Nahen Osten hinweisen soll, wilde Diskussionen. Zum einen über die oben stehenden Thematiken, zum anderen darüber, dass es das Stadtbild Dresdens verschandeln würde. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass auf diesen Bussen wohl eine terroristische Flagge zu sehen gewesen sein soll. Das Monument ist einem Bild nachempfunden, welches in einem umkämpften Gebiet in Aleppo aufgenommen worden ist. Wen verwundert es also, wenn auch eine rebellische Flagge darauf zu sehen ist? Aber damit nicht genug. PEGIDA und Neurechte sowie die AfD Sachsen sind der Meinung, dass die Opfer des Krieges in Syrien nicht im Verhältnis mit den Opfern der Bombennacht stehen würden. Vom Kontext her gesehen hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Dies unterstreicht die Wichtigkeit des Rumgeopfers am 13. Februar der Neonazis. Zehn Tage vor ihrem glorreichen Tag des Gedenkens wird vor dem Wahrzeichen der Stadt ein Monument errichtet, welches nicht irgendwas mit Deutschland zu tun hat, nein, mit Syrien und deren Bürgerkrieg.

 Ein weiteres Indiz dafür, dass Dresden nichts aus seiner Geschichte gelernt hat, zeigt die jährliche stattfindende Menschenkette. Hand in Hand mit Neonazis bilden die Menschen einen sogenannten Schutzwall um die Dresdner Altstadt, um den Naziaufmarsch, welcher meist schon ein bis zwei Tage zuvor gelaufen ist, symbolisch zu verhindern. Mit eben jenen rassistischen und faschistischen Idioten fassen sie sich an die Hände, die ein paar Tage zuvor „den Opfern des angloamerikanischen Bombenterrors“ gedacht haben. Sprich, sie haben ausschließlich den unschuldigen, ahnungslosen Dresdner*innen gedacht. Sie verurteilen die Alliierten. Es wäre nicht nötig gewesen, Dresden zu zerstören. So viele, die doch mit dem Krieg nichts zu tun gehabt haben. Doch! Eben weil sie Hitler wählten, eben weil sie Jüd*innen und andere Minderheiten ausgrenzten und einfach weg schauten. Am Ende haben sie ja von nichts gewusst. Wie kann das sein? Es ist schlicht unmöglich. Dresden eine unschuldige Stadt, in der es nur Zivilist*innen getroffen hat? Wohl eher nicht.

 In diesem Jahr war die Menschenkette womöglich das erste mal nicht geschlossen, trotz dessen, dass es 1000 Teilnehmer mehr, als im letzten Jahr waren. Dies ermöglichten circa 40 linke Aktivist*innen und brachten so ihren Unmut über die schweigsame Zivilgesellschaft Dresdens zum Ausdruck. Dies wurde durch verschiedene Transpis mit Aufschriften, wie: „Menschenketten verhindern keine Naziaufmärsche“ oder „Bratkartoffeln Dresdner Art – seit 45“, unterstützt. Wie kann es aber nun sein, dass die Akteur*innen geschubst werden und gewaltsam versucht wird, die Menschenkette wieder zu schließen, wenn sie in einer friedlichen Art und Weise auf das Problem der Menschenkette hinweisen möchten und so zu Denken statt Gedenken anregen wollten?

 Dresden war und ist keine unschuldige Stadt. Dieser ewige Opfermythos und die eigenmächtige Gleichsetzung der Bombennacht mit dem Holocaust (Bombenholocaust) entzieht sich jeder Sinnhaftigkeit.

 

Wacht auf und werdet aktiv! Aufruhr Widerstand – es gibt kein ruhiges Hinterland.