Redebeiträge

Redebeitrag CoA Abschiebeknäste 17.05.2017

 

Wir stehen heute hier bezeichnender Weise auf dem Bernhard von Lindenau Platz. Bezeichnender Weise deshalb, weil dieser Platz nach dem „Vater“ der ersten sächsischen Verassung von 1831 benannt wurde und wir heute hier gegen einen bewusst in Kauf genommenen Rechts- und Verfassungsbruch demonstrieren. Nicht das wir mit diesem  „rechtsstaatlichem“ Gehabe irgendetwas anfangen könnten. Aber es ist schon sehr aussagekräftig, dass die politischen Verantwortungsträger*innen sich offensichtlich nicht einmal an ihre selbstauferlegten Regeln halten wollen.

Doch worüber reden wir hier eigentlich? Das was hier heute diskutiert, abgestimmt und mit an Sicherheit grenzender hoher Wahrscheinlichkeit auch angenommen und so euphemistisch mit „“ beschrieben wird, soll eines ermöglichen: Menschen noch länger und unter noch menschenunwürdigeren Umständen einzuknasten, deren einziges sogenanntes Verbrechen es war, sich von einem Punkt der Erde zu einem anderen zu bewegen und dabei nicht den richtigen Pass in der Tasche zu haben. (Die genauen Details dazu haben wir hier heute schon gehört) Das es sich hierbei um Geflüchtete Menschen handelt und als Rechtfertigung für diesen inhumanen Quatsch eine „Fluchtgefahr“ herangezogen wird ist mehr als nur pervers. An dieser Stelle noch einmal an die Abgeordneten der SPD: Mal wieder Danke für gar nix! Vielleicht habt Ihr eure Ideale zum wiederholten Male verraten, wahrscheinlich habt ihr auch schon gar keine mehr. Wir wissen mittlerweile ganz sicher, dass wir euch nicht in unserem Kampf für ein solidarisches Zusammenleben dabei haben wollen.

Der sogenannte Ausreisegewahrsam ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs: Das Problem sind die Knäste an sich! 

Denn Gefängnisse sind Ausdruck des momentan herrschenden Systems. Eines Systems, welches durch Konkurrenzdruck Menschen zwingt die Ellenbogen auszufahren und sich gegen andere durchzusetzen zu müssen. Sei es im Kampf um Arbeitsplätze, Aufstieg, Produktionsmittel oder was auch immer. Dieses Konkurrenzverhältnis führt dazu, dass in der momentanen Gesellschaftsform die Gewalt allgegenwärtig ist. Am deutlichsten bricht sich diese natürlich Bahn, wenn sie physisch direkt ausgeübt wird. Weniger offensichtlich ist hingegen oft die strukturelle Gewalt, welche permanent und bedrohlich über unser aller Köpfen schwebt. Diese nicht mehr unmittelbare Form der Herrschaft übt im Kapitalistischen System der sogenannte Rechtsstaat aus, welcher nur zum Schein, die “Gleichheit“ aller Menschen wahrt, in Wirklichkeit aber ein Instrument ist um die momentanen Verhältnisse zu zementieren. Der Widerspruch zwischen der formalen Gleichstellung aller Menschen und der faktischen Ungleichheit durch das kapitalistische System kann ein Staat eben nur mit repressiver Gewalt, unter anderem mit Knästen auflösen. Er installiert ein System von Disziplin, Strafe und Abschreckung um den alltäglichen Konkurenzkampf in systemverträgliche Bahnen zu lenken. Das bedeutet:  Menschen Ausbeutung? Ok! Menschen aus Wohnungen räumen und auf die Straße setzen? Ok!

Auf der Straße einen Bullen schubsen? 3 Monate ab ins Gefängnis mit dir! Das ist die Logik, nach der das Ganze funktioniert.

Die angebliche Gleichheit wird für die Menschen, welche sich nicht fügen wollen oder aus auferlegten Sachzwängen nicht können zu einer rein repressiven Gleichheit. Solange sich also die bestehenden Produktionsverhältnisse nicht ändern, wird sich auch am pseudoegalitaristischen und repressiven Gefängnissystem nix ändern. Es muss darum gehen, das System anzugreifen, welches Menschen zwingt kriminell zu werden bzw. welches diese kriminalisiert. Wir stehen genau dafür ein: Für einen radikalen Bruch mit den herrschenden Verhältnissen und dem System Knast! Für ein Leben in Freiheit! 

Wir sind erst frei, wenn alle frei sind!


Redebeitrag II „Gemeinsam gegen den Rechtsruck in Europa“

Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Presse- und Meinungsfreiheit und die Gleichheit und Freiheit aller Bürger*innen sollten die Grundsätze einer jeden repräsentativen Demokratie sein. Dass es dabei erhebliche Unterschiede zwischen Realität und Ideal gibt, können wir tagtäglich in Deutschland erleben. Häufig geht zumindest von einem Teil der Gesellschaft das Bedürfnis aus, die Realität dem Ideal anzunähern. Dass solche Fortschritte und Errungenschaften, die oft durch Kämpfe aller möglichen Gruppen von Menschen auf allen möglichen gesellschaftlichen Ebenen erreicht wurden, nicht in Stein gemeißelt sind und jederzeit gegen einen reaktionären Rollback verteidigt werden müssen, können wir aktuell sehr gut in Polen beobachten.

In Polen gibt es schon seit je her eine starke rechte Bewegung, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass weder in den Medien, noch bei politischen Akteuren eine klare Abgrenzung zwischen neofaschistischen Ideologien und den Standpunkten eines konservativen Bürgertums existiert. Dies zeigt sich auch dadurch, dass zum Beispiel stark nationalistische Tendenzen bei Weitem kein Randphänomen darstellen. Die Zusammenarbeit über weite Teile der Gesellschaft mit Neofaschist*innen führte 2006/2007 zu einem vorläufigen Hoch, als viele Mitglieder rassistischer Skinhead-Subkulturen über eine rechte Regierungskoalition direkten Zugang zur polnischen Politik erhielten. So wurde der Gründer der sogenannten „Allpolnischen Jugend“ zum Minister für nationale Bildung und als stellvertretender Ministerpräsident berufen. Diese Organisation bezieht sich auf die gleichnamige Organisation, welche in den 1930ern für zahlreiche Angriffe auf jüdische Student*innen und politische Gegner*innen verantwortlich war und sich auch heute wieder mit Stolz offen zu ihrem Antisemitismus bekennt. Dieses Hoch endete zwar mit den Parlamentswahlen 2007, doch in einigen kulturellen und organisatorischen Bereichen konnten diese Neofaschist*innen ihre wichtigen Einflussmöglichkeiten bis heute bewahren.

 Im Gegensatz zu deutschen Neonazis, die sich oft auf die neuheidnischen Gottheiten der nordischen Mythologie berufen, ist bei polnischen Rechtsextremen eher Katholizismus Teil nationaler kollektiver Identität. Mit einem stark traditionellen Familien- und Geschlechterbild und extrem aggressiver Homo- und Transfeindlichkeit haben sie große Teile der katholischen Gesellschaft auf ihrer Seite.

Auch im Streit um die sogenannte „Genderideologie“, zeigt sich wie katholischer Konservatismus Anknüpfungspunkte und Zusammenarbeit mit der extremen Rechten bietet. Laut polnischen Bischöfen würde es

„Dort, wo die Freiheit des Tuns zur Freiheit sich selbst zu erschaffen wird, als […] fundamentaler Widerspruch unvermeidlich zur Negierung des Schöpfers selbst kommen.“

 In ihr wird die Ursache für den Verfall der Familie, der demographischen Krise, dem Wandel der Männlichkeit und wesentlichen kulturellen Veränderungen gesehen.

Auch wird ein weit verbreiteter Antikommunismus deutlich, wenn versucht wird das Streben nach Gleichberechtigung über die Behauptung zu diskreditieren, dass die Wurzeln desselbigen imMarxismus und Neomarxismus lägen. Dieser Antikommunismus macht sich auch in der polnischen Geschichts- und Erinnerungskultur bemerkbar. So werden oft Parallelen zwischen der Zeit im Nationalsozialismus und der Zeit der Volksrepublik Polen, also der Zeit zwischen 1945 und 1989, gezogen. Dies führt zu einer gefährlichen Verharmlosung des Nationalsozialismus und bietet die Grundlage für anti-emanzipatorische Todschlag-argumente.

Dass trotz dieser bereits extremen Voraussetzungen von einem Rechtsruck gesprochen werden kann, zeigt sich im Handeln der aktuellen Regierungspartei PiS (Abkürzung) – zu Deutsch „Recht und Gerechtigkeit“. Diese ist seit den Parlamentswahlen 2015 alleinregierend. Sie nutzte die 2015 auch in Polen aufkommende Debatte über den Umgang mit Geflüchteten, indem sie ihr Repertoir der Menschenfeindlichkeit um Muslimhass erweiterte und im Wahlkampf Sozialneid und Ängste vor einer angeblichen Islamisierung schürte. Die PiS vereint alle, in der polnischen Gesellschaft vorherrschenden, Ressentiments. Wie weit die Abschaffung der Demokratie in Polen bereits vorangeschritten ist, soll die folgende Chronik der Regierungsbeschlüsse der PiS zeigen. Eine ihrer ersten Handlungen war eine Gesetzesänderung bezüglich des polnischen Verfassungsgerichtshofes. Mit ihr wurde eine effektive Arbeit des Verfassungsgerichtshofes verunmöglicht und eine Gewaltenteilung de facto abgeschafft. Die Tatsache, dass der Verfassungsgerichtshof dieses Gesetz als verfassungswidrig einstuft wurde von der Regierung einfach nicht anerkannt.

Seit einer Medienreform werden die Senderchefs öffentlicher Medien – sei es Presse, Rundfunk oder Fernsehen – über den Rat Nationaler Medien berufen. Die Mitglieder dieses Rates werden zu 60% von der Regierungspartei bestimmt. Damit ist auch die Unabhängigkeit der nichtprivater Medien de facto abgeschafft.

 Ein weiteres Gesetz soll künftig die Funktion des General-staatsanwalts und des Justizministers in einer Person vereinen. Dies erlaubt dem Justizminister bei jeder Ermittlung zu intervenieren.

Außerdem wurde das Polizeigesetz erweitert und ermöglicht nun die staatliche Kontrolle über das Internet. So erhalten Polizei und Geheimdienste dauerhaften Zugriff auf eine ganze Reihe von Metadaten – ohne Zustimmung des Providers oder strenger richterlicher Kontrolle. Auch das Abtreibungsgesetz sollte verschärft werden. Obwohl schon nach dem aktuellen Gesetz Abtreibung nur dann legal ist, wenn der Fötus eine schwere Fehlbildung aufweist, die Schwangerschaft Folge einer Straftat, oder die Gesundheit der Mutter gefährdet ist. Trotzdem lehnen viele Ärzte eine Abtreibung ab. Dies hat zur Folge, dass Ab-treibungen im Ausland vorgenommen werden oder fachunkundig Menschen die Abtreibung übernehmen, was für die betroffene Person lebensgefährlich sein kann. Die Gesetzesänderung sah vor, dass Abtreibungen nur noch dann legalsein sollten, wenn das Leben und die Gesundheit der werdenden Mutter auf dem Spiel ständen. Massenproteste in ganz Polen konnten das Gesetz allerdings verhindern. Das Demonstrationsrecht wurde eingeschränkt. So sollen Demonstrationen nur noch in einem Mindestabstand von 100 Metern voneinander stattfinden. Außerdem hat der Präsident die Möglichkeit bekommen Gegendemonstrationen zu untersagen. Außerdem werden kirchliche Organisationen und öffentliche Organe bei der Anmeldung bevorzugt werden. Das Gesetz wurde vom Verfassungsgericht für konform erklärt, nachdem der Justizminister und Generalstaatsanwalt – wir erinnern uns: neuerdings ein- und dieselbe Person – drei von den vierzehn Verfassungsrichtern die Teilnahme an der Abstimmung aus „Zweifeln an der Unparteilichkeit“ untersagt hatte.

 Aktuell ist die Regierung dabei Schulen einzurichten, an denen Schüler zu Soldaten erzogen werden. Neben zweistündigem Theorieunterricht pro Woche, soll Praxis im Umgang mit der Waffe und auf dem Truppenübungsplatz gelehrt werden. Außerdem soll die Truppenstärke Polens langfristig verdoppelt werden.

Im Gegensatz zu den Vorgängen in der Türkei wurden diese Veränderungen in der deutschen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Polen ist auf dem besten Weg in eine ein-Parteien-Diktatur und es ist das Sinnbild dafür, was mit einem Land passiert, wenn reaktionäre Kräfte an die Macht kommen. Viele der eben aufgezeigten Mechanismen und Agitationsmuster ähneln denen in anderen Ländern, wie zum Beispiel dem FN in Frankreich oder der AfD in Deutschland. Doch auch in Polen gibt es Widerstand.

 Zwar fordern wir immer wieder: „No boders, no nations!“, doch warum hört unser Support an so etwas fiktivem wie der deutsch-polnischen Grenze auf? Wieso schaffen es Neonazis sich europaweit zu vernetzen und wir schaffen es kaum überregional für die nächste Demo zu mobilisieren?

Vernetzt euch! Denn der Kampf um Befreiung bleibt Antinational!


Redebeitrag I „Gemeinsam gegen den Rechtsruck in Europa“

Die heute hier auf dem Neumarkt stattfindende und von den Fremdenfeinden von Thügida organisierte Demonstration steht unter dem Motto „Pro Marine Le Pen“ und nimmt Bezug auf die morgen in Frankreich stattfindende Präsidentschaftswahl. Momentane Umfragen deuten auf einen Wahlsieg ihres Gegners Macron hin, was die Situation aber nur unwesentlich besser macht, da dieser mit einem neoliberalen Programm des Sozialabbaus in den Wahlkampf gezogen ist. Mit dem Anspruch Reformen nach dem Vorbild Agenda 2010, welche schon in Deutschland zu krassen sozialen Verwerfungen geführt hat, einzuführen stehen die Menschen in Frankreich gerade vor der Wahl zwischen Pest und Cholera.
Dass ein neoliberaler Sozialabbauer und eine Faschistin die Optionen sind, zwischen denen man sich in Frankreich am kommenden Tag entscheiden muss, zeigt, wie weit wir in Europa im Moment von einer emanzipatorischen Politik entfernt sind. Und genau deshalb ist es wichtig und toll, dass wir heute hier gemeinsam ein Zeichen für echte Alternativen setzen.
Der Front National wurde 1972 von Marine Le Peans Vater Jean-Marie Le Pen gegründet und war seit seiner Gründung eine Partei, welche am rechten, nationalistischen Rand fischte. Mit Programmpunkten wie „Frankreich zuerst“, dem Geschwafel von einer französischen Identität und dem Hetzen gegen geflüchtete Menschen reiht sich der Front National nahtlos in die Standardthemen der europäischen Rechtspopulist*innen ein. Der Front National ist allerdings keine 08/15 rechte Partei à la AfD & Co. Denn im Gegensatz zu den häufig wirtschaftsliberal eingestellten Schwesternparteien hat sich die französische Partei auch eine angeblich antikapitalistische Systemkritik zu eigen gemacht. Diese entlehnt sich sowohl konservativ-rechten, als auch zum Teil linken Elementen und vermischt diese zu einer verkürzten Kapitalismus-Analyse. Es wird ein Protektionismus propagiert, der der „guten“ französischen Wirtschaft, „ausländische Heuschrecken“ entgegenstellt. Verschwörungstheorien wie diese, die zwischen raffenden und schaffendem Kapital unterscheiden, befeuern antisemitische Klischees, welche in der französischen Gesellschaft ohnehin schon tief verwurzelt sind.

Ein Beispiel hierfür ist die von Mariene Le Pen verbreitete Behauptung, die das die US-amerikanisch-jüdische Organisation B’nai B’rith durch ihren „Druck“ schuld sei, dass die konservativ-liberalen Rechtsparteien Frankreichs sich nicht mit dem FN verbünden würden. Aussagen wie diese sind es, die den Front National so gefährlich machen. Denn hier wird berechtige Wut über die Widersprüche im herrschenden System auf ein einfaches Feindbild projiziert und so Ressentiments geschürt. An dieser Stelle auch nochmal an die Rassist*innen und Antisemit*innen von Thügida, Endgame und Co. Welche sich diese verkürzte Analyse zu eigen gemacht haben: Wir werden immer da sein und eurer Menschenverachtung tatsächliche Alternativen, einen tatsächlichen Antikapitalismus entgegenstellen. Denn Antikapitalismus ist und bleibt antifaschistisch. Und eine Gesellschaft frei von ökonomischen Zwängen und Widersprüchen kann es nur geben, wenn sie diese für alle Menschen, unabhängig von Nationalität, Hautfarbe, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung ermöglicht.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zur EU-Kritik des Front National, welche wir bewusst bis zum Ende dieses Redebeitrags nicht angesprochen haben. Auch wir lehnen die Europäische Union in ihrer Gänze ab. Wir brauchen weder eine nationale, noch eine europäische Identität. Denn identitäre Kackscheisze ist und bleibt identitäre Kackscheisze egal worauf sich das identitätsstiftende Moment bezieht. Und die EU ist nichts worauf wir uns in irgendeiner Art und Weise positiv beziehen möchten. Ein Konstrukt, welches innerhalb und außerhalb seiner Grenzen für die Verelendung von Menschen sorgt und wirtschaftliche Interessen grundsätzlich vor humanistische Grundwerte stellt ist nicht besser oder schlechter als ein bürgerlicher Nationalstaat.
Wir möchten weder, dass an den Grenzen von Nationalstaaten, noch an denen der EU Menschen sterben. Wir möchten weder, dass die Menschen in den europäischen Lagern auf Lesbos und Co, noch in deutschen Abschiebeknästen eingesperrt werden.
Wir möchten eine emanzipatorische Gesellschaft, jenseits von Staat und EU, in der wir unser Zusammenleben gemeinsam mit allen Menschen solidarisch organisieren können. Das wäre eine wirkliche Alternative!

Europe, Frontex and Police, Stop killing Refugees!


Redebeitrag ‚fight2stay‘

 

Viel ist passiert, seit 2015 die sogenannte „Flüchtlingskrise“ begann. Wir erlebten, wie immer mehr Menschen im Mittelmeer ertranken und die Friedensnobelpreisträgerin ‚EU‘ einfach dabei zuschaute. Wir erlebten die zunehmende Repression, welcher sich die Geflüchteten – die es auf das europäische Festland geschafft hatten – ausgesetzt sahen. Die Internierung eben dieser Menschen in Lager vor allem auf den griechischen Inseln im Zuge des ‚EU-Türkei-Deals‘, militarisierte Grenzanlagen wie in Ungarn aber auch Gesetzesverschärfungen innerhalb der Länder der EU wie das Aussetzen des Familiennachzuges und die unmenschliche Abschiebepraxis in Kriegsgebiete wie Afghanistan sind nur einige Beispiele hierfür.

Und wir erleben ein Erstarken von regressiven, nationalistischen und rassistischen Einstellungsmustern in ganz Europa. Dieser reaktionäre Flashback manifestiert sich sowohl in rechten Parteien wie beispielsweise der AfD in Deutschland, dem Front National in Frankreich oder der Partei für die Freiheit in den Niederlanden, als auch durch Bewegungen wie der IB oder PEGIDA in Dresden. Soweit, so schlecht. Aber das ist nicht alles…

Wir erlebten auch die Zunahme an Solidarität und die Hilfsbereitschaft vieler Menschen. Millionen haben allein in Deutschland ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe gearbeitet bzw. arbeiten noch immer dort um zu versuchen, die Geflüchteten zu unterstützen. Auch erlebten wir, dass durch die Erfahrungen vieler Menschen eine Politisierung großer Teile der Gesellschaft einsetzte.

Viele, welche sich vorher als „unpolitisch“ sahen, kritisierten beispielsweise das europäische Grenzregime, den EU-Türkei-Deal oder die unmenschliche Abschiebepraxis in einer Radikalität, die Mensch vorher nicht für möglich gehalten hatte. Lasst uns diese Chance einer progressiven Politisierung wahrnehmen. Lasst uns gemeinsam Heute auf der Straße ein Zeichen gegen die herrschenden Zustände setzen und sagen: Solidarität muss politisch werden!

Denn die Geflüchteten sind nicht vom Himmel gefallen, sondern sind Teil eines jahrelang betriebenen Neokolonialismus vor allem der europäischen Union. Diese versucht zwar nicht mehr über unmittelbare Unterdrückung ganze Landstriche zu besetzen. Stattdessen wird durch Maßnahmen wie Freihandelsabkommen und der daraus resultierenden Zerstörung der regionalen Marktwirtschaft, Landgrabbing oder auch Waffenexporte eine Abhängigkeit geschaffen, die Leid und Tod für viele Menschen in diesen Regionen mit sich bringt.

Die momentanen Flüchtlingsbewegungen sind also zu großen Teilen die Folge einer neoliberalen und postkolonialistischen Politik der EU. Die sich hieraus ergebenden Krisen versucht die europäische Union (bei nicht unerheblicher deutscher Dominanz) mit noch mehr Neoliberalismus zu beantworten. Da dieser die Krise für die Menschen nicht etwa löst, sondern deutlich verstärkt, verstärken sich auch die Reaktionen vor allem derer, die unter eben diesen prekären Umständen leben müssen. Und allzu oft ist dann leider ein Abfallen in rassistische, nationalistische und andere menschenverachtende Verhaltensmuster die Folge der Angst vor dem erwarteten ökonomischen Abstieg. Und so sind auch die rassistischen Parteien und Bewegungen nicht einfach von jetzt auf gleich erschienen. Und vor allem sind sie, im Gegensatz zum häufig von bürgerlichen Politiker*innen vertretenen Standpunkt nicht der Auslöser von zunehmendem Rassismus, sondern vielmehr deren Folge.

Der Auslöser ist ein vom Kapitalismus anerzogener Futterneid, der die Gesellschaft zu einer Ellenbogengesellschaft gemacht hat. Was wiederum dazu führte, dass viele Menschen Geflüchtete zunächst als Konkurrent*innen um Ressourcen sehen. Um es ganz klar zu sagen: Das rechtfertigt in keiner Weise, dass jemand zum/zur Rassist*in wird. Dass man auch in den momentanen Verhältnissen die Möglichkeit hat, sich individuell anders zu entscheiden, kann man Heute hier an den vielen Menschen sehen, welche sich klar gegen solche Tendenzen und für ein solidarisches Miteinander einsetzen.

Wer also wirklich die oft beschworenen „Fluchtursachen“ und den rechten Flashback bekämpfen will, der muss das neokolonialistische Verhalten der EU kritisieren und bekämpfen. Der muss auch eine neoliberale Politik bekämpfen, die ausschließlich nach Gewinnmaximierung strebt und sich dafür auch nicht zu schade ist, Waffen an menschenverachtende Regime wie Saudi-Arabien oder den Katar zu liefern und so letztlich an jedem Krieg und an jeder Krise mitverdient.

Und es ist auch notwendig, dass wir uns über Grenzen hinweg solidarisch organisieren, um den Rechten in Europa und der Abschottungspolitik der EU den Boden zu entziehen. Kurz gesagt: Es ist notwendig, dass wir Lösungen jenseits von Kapital und Nation finden. Denn nur so können wir den rassistisch reaktionären Krisenlösungen der europäischen Politik etwas entgegensetzen und eine Gesellschaft organisieren, in welcher Menschen solidarisch miteinander leben können! Unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung oder anderer Nebensächlichkeiten.

No Border, No Nation, Stop Deportation!


Redebeitrag auf der NOPE. Demonstration vom 06.03.2017

 

Wie häufig seid ihr schon in eine so genannte „verdachtsunabhängige Kontrolle“ geraten? Das lässt sich wahrscheinlich an einer Hand abzählen, wenn ihr einen eher hellen Phänotyp habt. People of Color berichten dagegen teilweise von wöchentlichen Kontrollen. Beim Einkaufen, beim Joggen, auf dem Weg zur Arbeit – manchmal sogar mehrmals innerhalb weniger Minuten. Stellt euch vor ihr würdet ständig von der Polizei kontrolliert werden, während andere Menschen unbehelligt bleiben und ihr euch vor Passant*innen nicht rechtfertigen könnt. Was werden diese Menschen über euch denken? Racial profiling ist rassistisch und damit gesetzeswidrig, weil Menschen auf Grund ihres Äußeren in aller Öffentlichkeit kriminalisiert werden. Es reproduziert und manifestiert aber auch Rassismus, dadurch, dass diese Äußerlichkeiten stigmatisiert werden.

Die Folgen sind Ohnmacht und die verstärkte Angst vor Übergriffen. Denn zusätzlich, zu dem Rassismus, der People of Color tagtäglich entgegenschlägt, können sie sich auch nicht auf den Schutz des staatlichen Gewaltmonopols verlassen. Eher im Gegenteil. Erst Anfang Februar ist in Hamburg ein ghanaischer Geflüchteter durch drei Schüsse eines Polizisten schwer verletzt worden. Augenzeugen zu Folge, sollen die letzten beiden Schüsse erst nach längerer Pause auf die bereits am Boden liegende Person erfolgt sein. Hier kann nur von einer klaren Tötungsabsicht die Rede sein.

Dass Rassismus nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der gesamten sogenannten „deutschen Mitte“ Konsens ist, zeigte sich erneut bei der Debatte zum rassistischen Vorgehen der Kölner Polizei zur Silvesternacht 2016/17. Diese hatte knapp 680, als „Nafris“ bezeichnete Personen gekesselt und kontrolliert. Anstatt das diskriminierende Vorgehen der Polizei zu verurteilen, wurde sie von fast allen Seiten für ihren Einsatz gelobt. Nicht zuletzt die AfD forderte einen Ausbau und die bewusste Anwendung von racial profiling. Die Süddeutsche Zeitung schrieb, dass der Polizeieinsatz der Kölner Polizei verhältnismäßig gewesen sei und in der „Welt“ erschien sogar ein Kommentar von Alan Posener unter der Überschrift „Ja zu ‚Racial Profiling‘ – es kann Leben retten“. Es wurde also nicht einmal mehr geleugnet, dass es sich um Rassismus handelte, sondern sogar versucht zu rechtfertigen und für gut befunden. Die gezielte Diskriminierung von Minderheiten, zum vermeintlichen Schutz der Mehrheit, wird also in Kauf genommen, sogar öffentlich legitimiert.

Vor Kurzem hat selbst die UN-Arbeitsgruppe für Menschen afrikanischer Abstammung den strukturellen Rassismus gegenüber Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland kritisiert. Sie bemerkte, dass die Menschenrechte in Deutschland nicht umgesetzt werden und People of Color nicht als besondere Minderheiten anerkannt sind. Auch der alltägliche Wortschatz, der sich unter anderem in postkolonialen Straßennamen widerspiegelt, wurde kritisiert.

Dass Polizeikontrollen im Gegensatz zur weitverbreiteten Ansicht auch anders ablaufen können, zeigt ein Blick nach Spanien. In Fuen Labrada, einem multikulturellen Vorort Madrids, wurde ein System eingeführt, bei dem jede Kontrolle von der Polizei schriftlich begründet und dokumentiert werden muss. Die kontrollierten Menschen erhalten vor Ort eine Kopie. So können doppelte Kontrollen vermieden werden und die Praxis zeigt, dass dies wesentlich zur Verbesserung der Kommunikation der Polizei beigetragen hat. Die Anzahl der Kontrollen hat sich halbiert und das Vertrauen in die Polizei ist gestiegen.

Doch was können wir tun, bis es auch bei uns so weit ist?

Denn auch in Dresden (– Überraschung -) gibt es Fälle von Racial Profiling. Vor Allem im Bereich des Neustädter Bahnhofes, des Hauptbahnhofes und hier auf dem Scheunevorplatz. Wie kann es überhaupt sein, dass die Neustadt zu einer Spielwiese von Rassist*Innen und Faschist*Innen werden konnte? Nicht nur Racial Profiling ist hier Alltag geworden, sondern Nazis können hier ungestört ihre rassistische Hetze kundgeben, Aktivist*Innen und People of Color bedrohen und angreifen ohne Konsequenzen zu befürchten. Laut der RAA Sachsen ist Dresden „Spitzenreiter“, wenn es um die Anzahl rechter Übergriffe geht. Die sich als alternativ präsentierende Neustadt ist dabei eines der Viertel mit den meisten Übergriffen. Erst letzten Monat wurden mehrere Menschen hier in der Neustadt von Nazis angegriffen. Faschos zeigten Hitlergrüße, brüllten „Sieg heil“ und niemand schien sich daran zu stören. Lasst das nicht zu! Holt euch die Neustadt zurück und macht sie wieder zu dem alternativen Viertel, welches es vorgibt zu sein – für ein solidarisches und buntes Miteinander!

Außerdem wenn ihr Kontrollen seht, geht hin und erkundigt euch bei der kontrollierten Person, ob ihr helfen könnt. Seid solidarisch und lasst diese Personen in diesen Momenten nicht allein! Auf der Facebookseite von NOPE. wird nach der Demo ein Link zu einem Leitfaden geteilt. Den könnt ihr ausdrucken und mit euch mitführen.

Denn dass Widerstand erfolgreich sein kann zeigt der Fall von Kanwal Sethi der neulich am Dresdner Verwaltungsgericht entschieden wurde. Er wurde 2014 am Leipziger Bahnhof kontrolliert – er vermutete allein auf Grund seines Aussehens. Das Gericht gab ihm Recht. Nicht zuletzt auch, weil aufflog, dass die Bundespolizist*innen zuvor bezüglich ihrer Aussagen instruiert worden sind und diese aufeinander anpassten.

Also legt den Finger in die Wunde! Macht Fälle von Racial Profiling öffentlich! Solidarisiert euch mit Betroffenen und haltet die Rassismusdebatte solange am Laufen, bis sich in diesem Land etwas ändert!

Siamo Tutti Antifascisti!

Hier noch der bereits erwähnte Link:

http://www.schoener-leben-goettingen.de


Redebeitrag der Gruppe CoA am 27.01.2017 im Rahmen der Holocaustgedenkveranstaltung am Bahnhof Neustadt in Dresden

„Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube sie begründen zu müssen noch zu sollen.“ (Adorno)

„Heute jährt sich zum 72. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Dieses Arbeitslager gilt als Synonym für die massenhafte Vernichtung vieler Menschen. Seit 2005 wird an diesem Tag zudem weltweit den Opfern des Holocausts gedacht.

Mittlerweile haben wir kaum noch die Möglichkeit mit Überlebenden der Shoa zu sprechen, welche uns ihre Schicksale hätten weitertragen können. Gerade der jüngeren Generation, die sich weder mit der Rolle ihrer Eltern oder Großeltern in der NS-Zeit noch dem Faschismus selbst auseinandersetzen mussten, fehlt eine intensive Wahrnehmung zu eben jenen Verbrechen und Schicksalen, welche nie in Vergessenheit geraten dürfen. Gerade wir, denen eben oft diese Bindung fehlt, müssen umso mehr gegen ein Vergessen und Verdrängen ankämpfen.
In Zeiten, in denen Rassismus und Antisemitismus wieder einmal in die Mitte der Gesellschaft vordringen, muss unser Gedenken und unser Erinnern umso deutlicher werden. Wir dürfen nicht wegschauen und am Ende wieder von nichts gewusst haben. Unsere Verantwortung, nicht zu Vergessen wird gerade jetzt und gerade hier umso wichtiger.

Dies zeigt unter anderem „Bernd“ Höckes Rede in Dresden vor 10 Tagen. Es verdeutlicht, wie sehr ein Teil unserer Gesellschaft auf dem Weg ist, in alte Denkmuster zurück zu fallen. Eine Partei, die bereits in fast allen Landesparlameten vertreten ist, wettert erneut gegen eine religiöse Minderheit in Deutschland und verhöhnt durch einen immer wieder an die Oberfläche kommenden Antisemitismus die Opfer der Shoa. Immer wieder werden Begriffe, die eng mit eben jenen deutschen Verbrechen verbunden sind, in Stammtisch- und Bierzeltreden an die Öffentlichkeit gebracht und es wird versucht sie wieder „positiv zu besetzen“. Immer wieder führt deren verbaler Radikalismus zu brennenden Häusern oder auch Gewalttaten gegen Menschen, welche nach deren Weltbild nicht deutsch genug aussehen. Immer wieder geht die Saat dieser widerlichen Hetze von Höcke und seinen „aufrechten Kamerad*innen“ auf: „Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt hat pflanzen lassen.“, hetzte Höcke auf seiner Rede. Das beängstigende dabei ist, dass diese Rede tatsächlich stehende Ovationen erlangte…Viel schlimmer noch: diese Partei hat bei der Bundestagswahl 2017 mehr als nur gute Chancen auf ein zweistelliges Wahlergebnis. Dies ist erschreckend, besonders wenn man die Aufstiegsgeschichte Hitlers rückverfolgt. Was während der Zeit des Nationalsozialismus passiert ist, ist und soll einmalig bleiben. Doch die Zeichen dafür stehen schlecht.

Wiederholt wird dieser Tag, welcher im Zeichen des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus steht, von Populist*innen und Rechtsgesinnten dafür missbraucht, um den gefallenen Nazisoldat*innen zu gedenken. Der Opferkult wird von Neonazis gefröhnt und drängt dadurch das Gedenken an die eigentlichen Opfer, und zwar die Opfer des Holocausts, sukszessive in den Hintergrund. Diesen Kult beobachten wir in Dresden leider schon seit einigen Jahren. Jährlich um den 13. Februar ziehen Faschist*innen durch die Straßen und erinnern an den sogenannten Bomben- Holocaust und deren Opfer. Der Opfermythos in Dresden, ehemaligen Residenz- und Kulturhauptstadt, ist weit verbreitet. Was kann denn Dresden, ja ausgerechnet Dresden, für den Krieg? Viel! Auch hier wurden Menschen missachtet, vertrieben und ermordet. Auch hier vertraten (und vertreten) Menschen eine verachtende Weltanschauung und wählten einen rassistischen Idioten. Die Frage ist also: Warum nicht Dresden? Es führte endlich zu einen viel zu späten Ende des Krieges. Ein Holocaust- Überlebender erinnert sich: „Wir weinten vor Freude, als wir den roten Schein am Himmel sahen. Dresden brennt, die Alliierten sind nicht mehr weit!“

Wir sind heute hier, um den Opfern des Holocaust zu Gedenken. Doch der Februar naht. Werdet aktiv und bringt euch ein.

Kein Vergeben, kein Vergessen“


Redebeitrag der Gruppe CoA zum Thema „Bautzen“ auf der NOPE-Demonstration am 09.01.2017

 

 Dieses Zitat eines Genossen beschreibt wohl am besten die momentane Situation in Bautzen. Aber gehen wir zunächst noch einmal ein paar Monate zurück und schauen uns eine Chronik der Ereignisse in Bautzen an.

Auch wenn das Naziproblem in der Region natürlich viel tiefer sitzt und sich über Jahre verfestigt hat, kann der 09.09. letzten Jahres als Ausgangspunkt für eine neue Eskalationsstufe gesehen werden. An diesem Tag fand eine Demonstration der Gruppe „Die Sachsendemonstration“ in Bautzen statt. Gleichzeitig gab es eine Kundgebung unter dem vielsagenden Motto „Nazikiez verteidigen“ auf dem mittlerweile berühmt berüchtigten Kornmarkt, welche sich gegen eine Versammlung von Geflüchteten und linken Aktivist*innen richtete. Trotz des eindeutigen Mottos und des zu erwartenden Klientels waren zunächst wenig bis gar keine Cops anwesend. Es kam zu ersten verbalen und tätlichen Angriffen durch die Faschist*innen. Die Repressionen, die von den später in größerer Zahl anwesenden Polizist*innen, richtete sich trotzdem fast ausschließlich gegen die Geflüchteten.  

Die Nazis hatten nun offenbar Lunte gerochen und die Situation schaukelte sich hoch. Anwesende Aktivist*innen berichten von einer Pogromstimmung, die sie an jene aus den 90er Jahren im nur wenige Kilometer entfernten Hoyerswerda erinnerte.

Ihren traurigen Höhepunkt erreichte die Situation am 14.09., als 80 alkoholisierte Nazis durch die Stadt „patrouillierten“ und schlussendlich eine Gruppe von rund 20 jungen Geflüchteten durch die Stadt hetzten. Parolen wie: Bautzen bleibt braun“, „Frei, sozial und national“ und „Hier marschiert der nationale Widerstand“ waren zu hören. Diese Situation reichte aber offenbar nicht aus, um politische Verantwortliche oder die Bürger*innen der Stadt dazu zu bewegen, sich den Menschen, die in der folgenden Zeit immer wieder nach Bautzen kommen sollten um ihre Solidarität mit den Geflüchteten zu bekunden, anzuschließen. Nicht in den Nächten, in denen Aktivist*innen auf dem Kornmarkt verharrten um den braunen Spuk nicht unwidersprochen zu lassen, nicht bei der antifaschistischen „We will fight“Demonstration am 18.09. und auch nicht beim Begegnungsfest am 08.10. Im Gegenteil, Oberbürgermeister Ahrens redete in diesen Tagen ausschließlich mit den Neonazis, ging zum Teil auf ihre Forderungen ein (Ausgangssperre für unbegleitete minderjährige Geflüchtete) und legitimierte ihre Aussagen mit einem widerlichen Maß an Verständnis. Im Ohr klingt uns wahrscheinlich allen noch das berühmte: „Das ist mir bekannt“ des Bürgermeisters auf die Aussage die Geflüchteten seien Kindersoldaten, die Löwen jagen, seit sie acht Jahre alt sind“. Herr Ahrens: Es ist unerträglich, wie Sie sich hier mit Rassist*innen anbiedern. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Und mit Nazis redet mensch nicht, mensch bekämpft sie! Und nein, es ist nicht in Ordnung, sich mit Stream BZ, dem Rechten Kollektiv, der NPD oder dem ganzen anderen Faschistenschmutz zu treffen und eine gemeinsame Lösung zu suchen. Denn jeder Schritt, der auch nur einen Funken der Forderungen dieser Menschen enthält, ist ein Schritt in die falsche Richtung. 

Danach wurde es eine Zeit lang scheinbar ruhig in Bautzen. Ja, nur scheinbar, denn das Problem war in keiner Form gelöst. Es war die Ruhe vor dem Sturm, denn die Nazis waren in der Stadt weiterhin präsent und tonangebend. Diese scheinbare Ruhe endete am 01.11., als 4050 Neonazis zwei junge Geflüchtete durch die Stadt jagten. Diese Hetzjagd wurde, trotz mehrere Zeugenaussagen, von der Polizei vehement dementiert. An dieser Stelle noch ein paar Worte zum Verhalten der Polizei beim Thema Bautzen. Sie ist kein Teil des Problems, sondern Teil des organisierten Staatsversagens. Ihr Auftreten auf den Straßen der Stadt, aber auch gegenüber der Presse ist schlicht nicht hinzunehmen. Hier wird eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben, die ihresgleichen sucht. So wurde die Schuld an der Eskalation fast ausschließlich den Geflüchteten zugeschoben und die Faschist*innen als „eventorientierte teils alkoholisierte Jugendliche“ verharmlost, während verletzte Antifaschist*innen, welche mit Kieferbruch und 15cm Platzwunde ins Krankenhaus mussten, als „leicht verletzt“ abgetan wurden. Die sächsische Polizei trägt hier eine massive Mitschuld an der heutigen Situation. Denn wer permanent Geflüchtete und Antifaschist*innen kriminalisiert und Nazis hofiert, der sorgt dafür, dass sich diese im Recht wähnen. 

In den folgenden Monaten kam es immer wieder zu Beleidigungen, Auseinandersetzungen, Verfolgungsjagden und Angriffen von Seiten der Nazis gegen ihrer Meinung nach Linke oder geflüchtete Menschen. Auch ein versuchter Brandanschlag mit Molotowcocktails auf eine Geflüchtetenunterkunft und ein brutaler organisierter Naziangriff auf fünf junge Antifaschist*innen am 30.12., von denen zwei mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus mussten, zählen dazu.  

Mensch sieht also, dass mensch sich nicht auf den Oberbürgermeister, im Moment leider auch nicht auf große Teile der Bautzner Zivilgesellschaft und erst recht nicht auf die Cops in Bautzen verlassen kann. Am Samstag jährte sich der Todestag von Oury Jalloh, welcher in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt wurde, zum 12. Mal. Oury Jalloh, ein Name der bis heute untrennbar mit Rassismus, vor allem mit struktutellem Rassismus verbunden ist. Ein Name der zeigt, was passiert, wenn sich Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft bis hinein in staatliche Strukturen verfestigen kann. Wir verzichten daher auf die Zusammenarbeit mit staatlichen Strukturen, in denen Rassismus ein inhärenter Bestandteil ist, wie man es zum Beispiel an der menschenunwürdigen Abschiebepolitik sehen kann. Und wir verzichten auch gern auf Lichterketten und andere Symbolpolitik, die nirgendwo und noch nie ein Naziproblem nachhaltig gelöst haben. Worauf wir nicht verzichten können und diesen Menschen gilt unsere Solidarität, das sind die Antifaschist*innen und Antirassist*innen aus Bautzen, die sich den Verhältnissen trotz der momentanen Situation entgegenstellen und ganz besonders den fünf Menschen, die kurz vor dem Jahreswechsel angegriffen wurden und zum Teil immer noch mit ihren Verletzungen zu kämpfen haben.

Wir fordern euch daher auf: Organisiert euch in Bezugsgruppen, checkt die üblichen Kanäle und fahrt nach Bautzen, wenn es wieder nötig ist. Lasst uns die Strukturen vor Ort supporten. Lasst uns den Leuten dort ihre Ohnmacht nehmen, nichts verändern zu können. Lasst uns ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind.

Denn Antifa ist und bleibt auch immer Landarbeit.

 

Aufruhr! Widerstand! Es gibt kein ruhiges Hinterland!